· 

Erich Kästner einmal ganz anders


Dieses Bild von Volker Beushausen zeigt Martin Brambach und Jürgen Hartmann.
© Volker Beushausen

Es wird nun wirklich wieder einmal Zeit, dass ich mich aus dem Forum Leverkusen melde. Diesmal steht dabei ein deutscher Schriftsteller im Mittelpunkt, mit dem die meisten wohl Erinnerungen an wunderschöne, kurzweilige bis lustige Kinderbücher verbinden. So schaute ich mir in der ersten Februarhälfte dort „Der Gang vor die Hunde“ in einer Szenischen Lesung mit Musik an. Dieses Stück basiert auf einem autobiografischen Großstadtroman von Erich Kästner (1899-1974), der in einer gekürzten, zensierten Form bereits 1931 erschien, damals noch unter dem Titel „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“. Dieses Stück, welches man der Neuen Sachlichkeit zurechnen kann, erschien dann im Jahr 2013 in ungekürzter Form, eben unter dem bereits erwähnten Titel, herausgegeben von Sven Hanuschek im Atrium Verlag. Sechs Jahre später wurde es in einer Auftragsarbeit für die „Ruhrfestspiele 2019“ durch das Künstlerpaar Chris-tine Sommer und Martin Brambach umgesetzt. Die Gefühlsskala reichte dabei von herzhaft lachend bis düster aktuell, vor allem in Bezug auf die heutigen Schattenseiten der Gesellschaft. All dies wurde gerade auch durch eine großARTige schauspielerische Leistung aller Beteiligten, wie aber auch durch die perfekt passende musikalische Begleitung ermöglicht. Auf beides wird später noch etwas detaillierter eingegangen. Mit diesem Stück von Kästner wird natürlich auch noch einmal die ganze Breite seines Schaffens deutlich. Im Mittelpunkt stehen in diesem Fall eben der Moralist Fabian und sein Freund Labude und wie sich ihr Leben in den frühen 1930er Jahren, im zwischen Liebe, Hass und Gewalt pulsierenden Berlin, entwickelt. Dies wurde dabei, im bereits angesprochenen Gefühlsspektrum, in verschiedenen Episoden dargestellt, bis zum tödlichen Ende beider Protagonisten. Ein echter Clou dieser Inszenierung war, dass es neben dem genannten Schauspielerpaar, mit Jürgen Hartmann und Jubril Sulaimon, nur noch zwei weitere Schauspieler gab, wobei allesamt durch das Wechseln in unterschiedlichste Rollen, gleich eine Vielzahl an Charakteren darstellten, dabei dürfte auch gerne einmal das Geschlecht gewechselt werden, was dann definitiv zu den urkomischen, wie auch genialen Szenen dieser Aufführung gehörte.

Das wahre Talent

Dieses Bild von Volker Beushausen zeigt Martin Brambach  und Jubril Sulaimon.
© Volker Beushausen

Meine enge Beziehung zu dieser Bühne verdanke ich auch meinen lieben Eltern, die dort früher schon regelmäßig zu Gast waren und immer auch davon schwärm-ten, wenn sie Stücke gesehen hatten, bei denen Schauspieler auf der Bühne stan-den, die man vor allem aus dem Fernsehen kannte. Dies traf bei dieser Inszenie-rung, außer bei Jubril Sulaimon, ebenfalls auf alle Schauspieler zu. Man kennt sie allesamt, mindestens aus den üblichen Krimiformaten von ARD und ZDF. An dieser Stelle habe ich eine Meinung meiner Eltern klar übernommen, das wahre Talent, die ganze Größe des schauspielerischen Könnens zeigt sich erst auf genau solchen Bühnen und nicht vor der Kamera. Dies soll gar nicht einmal abwertend gegenüber Produktionen fürs Fernsehen oder Kino gemeint sein, es ist einfach etwas ganz anderes. Martin Brambach ist wohl der, unter diesen vier Schauspielern, den man am ehesten kennt, da er den Kommissariats-leiter, Kriminalhauptkommissar Peter Michael Schnabel im „Tatort“ aus Dresden vom MDR spielt. Übrigens stammt nicht nur Kästner aus dem Elbflorenz, sondern Brambach ebenso. Hat er auch im „Tatort“ immer wieder etwas Tragikomisches, kann man dies aber eben nicht mit dem, was er im hier behandelten Stück bot, vergleichen. Wenn er in Leverkusen gespielt, sturzbetrun-ken von der Bühne fiel, führte dies zum großen Lachen unter den Zuschauern, was von kurzer Stille gefolgt war, dachten viele doch, es sei tatsächlich etwas Schlimmeres geschehen. So etwas ist natürlich weder auf einem Bildschirm, noch auf einer Lein-wand zu schaffen, alleine schon, da es eine gewisse Interaktion mit dem Publikum voraussetzt. Bei alldem darf man die anderen drei Mitstreiter aber nicht vergessen, die genauso brillante Arbeit ablieferten. So konnte Christine Sommer doch auch gerne, völlig problemlos, das Publikum beschimpfen und niemand war ihr böse. Der einzige kleine Haken an dieser Aufführung hatte eher technische Gründe, denn vor der Pause waren manche Passagen wirklich nur schwer zu verstehen. Dies wurde allerdings offensichtlich in der Pause kommuniziert und war danach kein Problem mehr.

Ohne Musik funktioniert es nicht

Dieses Bild von Volker Beushausen zeigt Jürgen Hartmann, Christine Sommer und Martin Brambach  vor der Band.
© Volker Beushausen

Es ist, vorausgesetzt es gibt einen Zufall, was ich stark bezweifel, genau ein sol-cher, dass all meine hier bislang beschriebenen Besuche im Forum Leverkusen einen klaren Bezug zur Musik hatten und so war es auch diesmal wieder. Nur zu gerne hätte ich dies am kommenden Freitag dort mit Götz Alsmann & Band fort-gesetzt, der dann mit „L.I.E.B.E“ gastiert, was ich allerdings leider aus terminlichen Gründen nicht schaffen werde. Man ist somit nicht überrascht, dass auch bei „Der Gang vor die Hunde“ Musik eine wichtige Rolle spielte. Man kann es auch so for-mulieren, dass es ohne das auf der Bühne ebenso anwesende Trio kaum bis gar nicht funktioniert hätte. Catti Groth am Saxophon, Christian Hammer an der Gitarre und Markus Conrads am Kontrabass zeigten, warum sie alle topausgebildete Musi-ker sind. Man fand sie im Hintergrund, den sie eigentlich auch nie verließen und von dort aus dem Stück eine weitere, perfekte Note verliehen. Die beschriebenen Gefühlspfade auf denen man durch diesen Abend wandelte, wurden somit ein Stückweit nä-her ausgeleuchtet, ohne dabei zu blenden. Es war auf den Punkt darauf abgestimmt, was die Schauspieler leisteten und wurde zeitgleich zu einer Art Verstärker für das gesamte Stück. Auch wenn dies, wie  erwähnt, hintergründig geschah, war einem sehr schnell klar, dass sie auch locker ein ganz eigenes, abendfüllendes Musikprogramm auf die Beine stellen könnten, was an diesem Abend allerdings nicht das Thema war. Diese drei Musiker, deren Lebensläufe für sich ebenso beeindruckend sind, wie die ihrer Schauspielerkollegen, sind halt einfach Profis ihres Fachs, was man merkte und vom Publikum ebenso honoriert wurde. Am Ende eines wieder einmal wirklich beeindruckenden Abends stand so abermals tosender Applaus von einem durchweg zufriedenen Pu-blikum, was man eben auf eine ganz besondere, unvergessene Reise mitgenommen hatte, die allerdings auch durchaus alarmie-renden Charakter für die Gegenwart haben sollte. Dies wäre dann aber wieder eine ganz eigene, größere Geschichte.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0