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Von Ziegen und Fachkräftemangel


Diese Farbfotografie von Thorsten Hülsberg zeigt einen ICE-Not-Halt zwischen Mainz und Köln in Oberwesel.

Hier nun, wie versprochen, noch etwas zu meiner Rückfahrt vom „Mainzer Rhein-Frühling“ und dazu, wie massiv das Bahnchaos in diesem Jahr tatsächlich ist. Im letzten Jahr habe ich es eher weniger verstanden, wieso sich die Menschen immer wieder über die Bahn aufregten. Hatte ich im Frühjahr damit begonnen, regelmä-ßig die Bahn zu nutzen, lief es bis auf kleinen Ausnahme in der Regel alles super. In diesem Jahr kehrt sich dies gerade ins genaue Gegenteil um. Hatte ich auf der Hinfahrt von Köln nach Mainz zehn Minuten Verspätung, blieben diese bis zur Rück-fahrt stabil. Selber Zug, selber Platz, selbe unerhebliche Verspätung. Allerdings wurde am Gleis in Mainz angezeigt, dass der Zug nicht zwischen Bonn und Bochum halten sollte, also nicht in Köln? Der DB-Service teilte mir mit, alles würde normal laufen, was auch immer die Anzeige dann sollte. Es begann eine erst einmal entspannte ICE-Fahrt, direkt hinterm Cockpit im Ruhebereich, einfach wundervoll. Nach einiger Zeit hielt der Zug im schönen Oberwesel, was definitiv kein ICE-Halt war und dann hieß bald auch schon, dass man den Zug verlassen dürfte, da man auf unbestimmte Zeit dort bleiben würde. Der Zug zuvor war mit Ziegen kollidiert und die Strecke, ohne Ausweichmöglichkeit, war dicht. Es war sehr interessant, die Gespräche der Crew mitzubekommen, wo man deutlich merkte, wie überlastet und vor allem unzufrieden die Bahnmitarbeiter waren. Was den Umgang mit den Fahrgästen anging, taten sie trotzdem ihr Möglichstes. Bei so unbefriedigenden Arbeitsbedingungen, die man deutlich raushören konnte, wundert einen der Fachkräftemangel nicht wirklich und man scheint dort wohl eher die wahren Gründe dafür zu finden. Es ist natürlich lobenswert, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die sich dies antun. Richtig interes-sant wurde es bei den Fahrgastrechten, auf die man hingewiesen wurde, was mich irritierte, warum ich das Gespräch suchte. Laut den Mainstreammedien haben sich die Rechte der Kunden, natürlich wieder wegen der Europäischen Union (EU), weiter verschlechtert und im Fall von Ziegen würde man keine Erstattungen mehr bekommen. Diese Rechte bleiben allgemein, natür-lich nicht nur im Bahnverkehr, ein Witz, überlegt man sich die tatsächlichen Kosten, gerade auch bei beruflichen Reisen, welche das Bahnchaos nach sich zieht. Was die Lieferanten des selbsternannten Qualitätsjournalismus übrigens nicht mitteilten, die Bahn konnte das neue Recht noch gar nicht umsetzen und daher gilt bis auf Weiteres, das bessere, alte Recht. Dieses nicht un-erhebliche Detail zu verschweigen, dürfte der Bahn eine Menge Geld sparen, da viele Fahrgäste meinen dürften, dass sie keine Ansprüche mehr hätten, wie es eben im genannten Teil der Medien Anfang Juli verbreitet wurde. Ein Schelm, wer da meint, einen Zusammenhang zu erkennen. Nach fast zwei Stunden ging es weiter und dies immerhin bis kurz vor meinem Ziel in Köln. Nun kam die nächste große Zwangspause, diesmal wegen technischer Probleme in meinem Zielbahnhof. Auf dieser Tour hatte ich einen meiner Lieblings-Vodkas wiederentdeckt, was dann allerdings eine Geschichte für sich ist, welche die Tage folgt. In Köln, kurz vorm Zielbahnhof, erneut gestrandet, diesmal ohne Chance den Zug zu verlassen, war ich bereit für einen leckeren Vodka. Dies blieb natürlich aus, da ich auf Tour nie trinke. Für meine Nerven wäre es aber wohl eher hilfreich gewesen, war ich so am Ende doch mit satten drei Stunden Verspätung, tief in der Nacht, erst wieder zurück in der Traumruine und dies brauche ich wirklich nicht. Die nächsten Kilometer stehen nun bevor und ich bin gespannt.


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